Meryem Korkmaz kam 1980 nach Deutschland. Sie war zehn Jahre alt, als ihre Mutter mit ihr und ihren
Auf dem Podium zu sehen (v.l.n.r.): Nobert Kortlüke, Martina Reuter-Becker und Irina Shaverova.Aßheuer
drei Brüdern das kleine Dorf in der Türkei verließ, um nach Niedergirmes zu ziehen. Ihr Vater lebte bereits seit sieben Jahre dort, er arbeitete bei Buderus. „Ich fand es schrecklich in Deutschland“, erzählt Korkmaz. „Alles war fremd und in der kleinen Wohnung habe ich mich gefühlt wie in Gefangenschaft.“ Die banalsten Dinge mussten gelernt werden. „In unserem Dorf haben wir noch ein Plumpsklo benutzt.“
Nachbarschaftshilfe ist wichtig
Korkmaz erzählt, wie wichtig damals die Hilfe von Nachbarn war. Die meisten Bewohner im Haus stammten wie sie aus der Türkei, es gab jedoch eine deutsche Nachbarin die ihr sehr geholfen habe. „Sie ist mit mir einkaufen gegangen, hat mir vieles gezeigt. Von ihr habe ich gelernt beim Bäcker einzukaufen. „Bitte ein Mischbrot“, war einer meiner ersten deutschen Sätze“, erzählt Korkmaz lachend. Noch heute ist die Frau für sie ihre „deutsche Mama“.
Gefühl der Zerrissenheit und Heimatlosigkeit
Korkmaz besuchte die Eichendorffschule in Dalheim. Ihr Vater war der Meinung sie sei schon groß genug und müsse nicht mehr zur Schule gehen. Sie aber lernte gerne, machte ihren Abschluss und eine Ausbildung zur Frisörin. Korkmaz sagt von sich selbst: „Ich bin Türkin und Deutsche und bezeichne mich auch als Deutsche Muslima. Trotzdem begegneten ihr viele Vorurteile, besonders seitdem sie ein Kopftuch trage. „Die Leute sprechen mich anders an, denken ich verstehe kein Deutsch, obwohl ich schon so lange hier lebe.“ Das tue weh, so Korkmaz. Aus vielen Gesprächen mit Bekannten und Freunden kennt sie die Zerrissenheit und das Gefühl der Einsamkeit: „In der Türkei sind wir nicht zu Hause, und hier in Deutschland sind wir noch immer die Türken.“
Die Gäste im Mehrgenerationenhaus verfolgten interessiert die Geschichten und die anschließende Diskussion zum Thema Integration.Aßheuer
Viele Vorurteile von Russen gegenüber Deutschen
Irina Shaverova stammt aus Russland. Sie ist vor sieben Jahren alleine zum Studieren nach Deutschland gekommen. In Deutschland wohnten bereits einige Verwandte. Ihr Studium der Politikwissenschaften wurde hier nicht anerkannt. Heute studiert die 33jährige Außerschulische Bildung an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. „Die erste Zeit war schlimm, ich habe mich kaum aus dem Haus getraut, weil ich die Sprache nicht konnte“, erzählt sie. In Russland gebe es viele Vorurteile über die Deutschen. Heute fühlt sich Shaverova wohl in Deutschland, ist froh über die vielen Möglichkeiten die sie hier hat- und sie erzählt ihren Freundinnen in Russland wie es in Deutschland wirklich ist.
Wünsche an die Kommunalpolitiker
Von der Politik wünscht sich Shaverova, dass Abschlüsse die im Ausland erworben wurden hier auch anerkannt werden und die Anerkennung mit weniger Hürden verbunden ist. Auch die Themen Familienzusammenführung und die aktuelle Einwanderungspolitik werden diskutiert. Umweltdezernent Norbert Kortlüke (Bündnis 90/ Die Grünen) spricht sich für ein Einwanderungsgesetz aus, dass seine Partei seit Jahren fordert. Dies sei jedoch Aufgabe der Bundespolitik - derzeit gäbe es dafür keine Mehrheit im Bundestag, so Kortlüke. Meryem Korkmaz größter Wunsch: Dass ihre Tochter, die Lehramt studiert, mit Kopftuch unterrichten darf.
Die Gesprächsreihe wird am 18. Juni um 19 Uhr im Mehrgenerationenhaus Dalheim fortgesetzt. Dann erzählen Nachbarn die vertrieben wurden, oder als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ihre Geschichte.