Wohnungslose gehören zur Risikogruppe. Häufig haben sie Vorerkrankungen, können auf der Straße nur schwer die empfohlenen Hygienemaßnahmen einhalten. Ohne Wohnung fehlt der Schutz und der Rückzugsraum, um soziale Kontakte zu reduzieren. Erschwerend hinzu kommt, dass die Tafeln teilweise schließen mussten. Die Tafel in Wetzlar, die noch geöffnet ist, kann derzeit weniger Lebensmittel ausgeben.
Als Caritasverband verstehen wir es als unsere oberste Aufgabe, den Schwächsten in der Gesellschaft gerade in solchen Krisenzeiten zur Seite zu stehen.
Unsere Einrichtung für Wohnungslose, das Caritashaus in der Braunfelserstraße 1 in Wetzlar ist nach wie vor geöffnet, jedoch zwingen auch uns die nötigen Vorgaben der Regierung dazu, den Betrieb einzuschränken.
Sieghard Mackel, Leiter der Einrichtung, berichtet wie der Arbeitsalltag für ihn und seine Kolleginnen und Kollegen aktuell aussieht.
Was passiert mit Menschen, die derzeit auf der Straße leben?
Mackel: Sie können weniger Angebote nutzen, da das Angebot von Unterstützungen für sie eingeschränkt werden muss. Zum Eigenschutz, zum Schutz anderer Obdachloser und auch zum Schutz unserer Mitarbeiter*innen. Die Menschen die Flaschen sammeln oder betteln haben weniger oder kaum mehr Einkommen aus diesen Tätigkeiten. Auch ihr soziales Leben ist eingeschränkt. Sich mit mehreren in Parks zu treffen oder auf Bänken zu sitzen ist nicht mehr möglich. Das "Forum" als Aufenthaltsort zu nutzen um sich aufwärmen oder WLAN zu nutzen, fällt auch weg.
Welche neuen Regeln gelten für das Caritashaus im Zuge der Coronakrise? Welche Vorsichtsmaßnahmen wurden getroffen?
Mackel: Der Zugang ist aktuell reglementiert, die Haustür ist geschlossen und die Besucher müssen sich anmelden. Entweder durch klingeln an der Tür, telefonisch oder per Mail. Die Beratung findet weiterhin statt, jedoch bis auf Weiteres telefonisch, per Mail oder auch am Fenster.
Die Anträge auf Tagessatz können weiterhin gestellt werden, ebenso findet die Auszahlung gemäß den Vorgaben von Jobcenter und Sozialamt statt. Allerdings wird auf den entsprechenden Abstand von mindestens 1.50 Meter geachtet. Wir achten drauf, Türgriffe, Klingelknopf oder Stifte umgehend und regelmäßig zu desinfizieren.
Grundsätzlich ist es von zentraler Bedeutung die Abstandsregeln in allen Angebotsbereichen unbedingt einzuhalten, um zum einen die Wohnungslosen und zum anderen die Beschäftigten zu schützen. Die konsequente Umsetzung der vorgegebenen Abstandsregeln und die notwendige Hygiene (Händewaschen.etc.) sind Voraussetzung um unsere Angebote an wohnungslose Menschen möglichst lange aufrecht zu erhalten. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften würde zu einer Schließung der Einrichtung führen.
Ist die Tagesaufenthaltsstätte geöffnet, in welcher veränderten Form?
Mackel: Unsere Tagesstätte ist geöffnet um die Toilette zu benutzen, um zu duschen, Kleider aus der Kleiderkammer entgegen zu nehmen und benutzte Kleidung zu waschen. Auch gespendete Schlafsäcke werden hier ausgegeben. Ein dauerhafter Aufenthalt ist jedoch derzeit nicht möglich.
Ist die Übernachtungseinrichtung weiter geöffnet?
Übernachtungseinrichtung für Durchwanderer in der Hermannsteiner Straße 61 in Wetzlar. Aßheuer
Mackel: Die Übernachtungseinrichtung in der Hermannsteiner Straße 61 ist weiter geöffnet. Allerdings mussten wir die Platzzahl halbieren, um die vorgegebenen Abstandsregeln einhalten zu können. Der direkte Kontakt zwischen Gästen und Mitarbeitern wird so weit als möglich vermieden.
Welche Angebote sind eingeschränkt?
Mackel: Unsere freizeitpädagogischen Angebote wie das wöchentliche Schwimmangebot, das Beschäftigungs- oder Einkaufsangebot in unserem Wohnheim und im "Haus Noah" müssen derzeit ruhen.
An welche Vorgaben müssen sich die Bewohner halten?
Mackel: Die Bewohner sind angehalten auf soziale Kontakte außerhalb des Hauses zu verzichten. Viele halten sich daran und bleiben im Wohnheim. Der Zugang zu den Sozialarbeiter*innen erfolgt mittlerweile fast ausschließlich über das Telefon. Hin und wieder ist es jedoch notwendig sich im Büro zu treffen.
Für den Monat April wurden die Bewohner angehalten ihre Regelleistung in Gänze an der Auszahlungsstelle abzuholen. So wird der Kontakt mit den Verwaltungsfachangestellten und auch mit anderen Bewohnern minimiert.
Die Post wird den Bewohnern aufs Zimmer gebracht. Zuvor musste diese in der Verwaltung aus dem Postfach selbstständig abgeholt werden.
Welche Probleme ergeben sich durch die derzeitige Situation für Sie und die Bewohner?
Mackel: Bei den Wohnungslosen und den Bewohnern kommen natürlich viele Fragen und Ängste auf - allein gelassen zu werden und keine Anlaufstellen mehr zu haben an die sie sich wenden können. Auf Seiten der Mitarbeiter*innen stellt sich jeden Tag die Frage: Wie können wir mit den Menschen in Kontakt bleiben, auch wenn wir physisch Abstand halten müssen?
Der persönliche Kontakt fehlt den Klienten und den Mitarbeiter*innen gleichermaßen. Persönliche Gespräche zur Abwendung einer Krise oder dem Einhalten der Abstinenz sind konzeptioneller Baustein unserer Arbeit. Für viele Menschen ist dies das einzig persönliche Gespräch am Tag. Wir versuchen dies durch Telefonate so gut es geht aufzufangen.
Abschließend kann ich sagen: Wir erhalten dieser Tage große Zeichen der Solidarität und Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung. Viele Menschen melden sich, die helfen wollen, zum Beispiel in Form von Spenden. Dafür sagen wir vielen Dank!
Wenn auch sie den Wohnungslosen helfen wollen, können Sie die Arbeit des Caritashauses mit einer Spende unterstützen:
Caritasverband Wetzlar/Lahn-Dill-Eder e.V.
Sparkasse Wetzlar
IBAN: DE 22 5155 0035 0010 0047 03
Stichwort: "Wohnungslose"
Auch eine Online-Spende ist möglich!