Die Einrichtung des Caritasverbandes Wetzlar/Lahn-Dill-Eder ist seit mehr als zwanzig Jahren Anlaufstelle für wohnungslose Männer und Frauen aus dem gesamten Lahn-Dill-Kreis und solche, die kurz davorstehen, ihre Wohnung zu verlieren. In dem zweistöckigen Gebäude befinden sich mehrere Hilfebereiche. Das Erdgeschoss beherbergt die Ambulante Fachberatung mit dem Betreuten Wohnen und einer Tagesaufenthaltsstätte. In der großen Küche und dem Aufenthaltsraum wird gemeinsam gekocht und gegessen, Kaffee getrunken, Zeitung gelesen und geredet. Auch duschen und frisch einkleiden kann man sich hier. Die oberen Stockwerke beherbergen ein Wohnheim mit vierzehn Zimmern, in denen Wohnungslose für eine gewisse Zeit leben können. Schritt für Schritt werden die Menschen hier von drei pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet. Das Ziel: zurück in ein selbstbestimmtes Leben finden - in den eigenen vier Wänden und mit geregeltem Alltag.
Kaum Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt
"Die Menschen die wir begleiten, haben meist mit existentiellen Problemen zu kämpfen", berichtet Sieghard Mackel, der Leiter des Caritashauses. "Dazu gehören Überschuldung, Sucht und psychische Erkrankungen, Straffälligkeit und der Verlust der Familie und eines sozialen Umfeldes". Aus eigener Kraft können nur wenige diese Schwierigkeiten überwinden. Auf dem freien Wohnungsmarkt haben seine Klienten wenig Chance, weiß Mackel. Schufa-Auskünfte sind negativ, Einkommensnachweise in der Regel nicht vorhanden. Dazu kommen lückenhafte Erwerbsbiographien. "Wohnungen die unseren Klienten von Vermietern angeboten werden, sind meist Wohnungen, die eigentlich nicht vermietbar sind und in denen sonst niemand leben möchte", so Mackel. Auch das Wohnumfeld sei für jemanden, der nicht stabil ist, alles andere als heilsam. Seit einigen Jahren beobachten er und seine Kollegen, dass auch immer mehr junge Menschen ohne eigene Wohnung leben. Viele von ihnen betreiben "Couchsurfing". Sie kommen Woche für Woche bei unterschiedlichen Freunden und Bekannten unter. Professionelle Hilfe wird oft erst in Anspruch genommen, wenn gar nichts mehr geht.
Kooperation mit den Wohnungsbaugesellschaften
Mackel und sein Kollege Bernd Schneider vom Betreuen Wohnen setzen für Wetzlar und das Kreisgebiet verstärkt auf die Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugesellschaften. Mit Erfolg: Im letzten Jahr haben fünf ihrer Klienten den Neustart in einer eigenen Wohnung geschafft. "Wir sind bei den "Bewerbungsgesprächen" um eine Wohnung dabei. Die Wohnungsbaugesellschaften wissen, dass sie sich bei Problemen mit dem Mieter an uns wenden können und wir dann vermitteln", so Bernd Schneider.
"Viele haben nicht gelernt, was es heißt eine eigene Wohnung zu bewohnen"
Ist die Wohnung gefunden, geht die eigentliche Arbeit los. Bernd Schneider schreibt gemeinsam mit dem Klienten einen Hilfeplan. Darin werden Ziele und Vereinbarungen festgehalten, die erreicht werden wollen. Der Hilfeplan ist die Grundlage für die weitere Betreuung. "Unser oberstes Ziel ist dabei immer, dass die Menschen die Wohnung dauerhaft halten können und ihren Platz in der Gesellschaft finden", so Schneider. Der Unterstützungsbedarf sei dabei ganz individuell. Einige suchen noch jeden Tag Kontakt zum Caritashaus, andere melden sich nur alle paar Wochen. Die meisten brauchen jedoch gerade am Anfang viel Unterstützung, sie haben nicht gelernt, was es heißt eine eigene Wohnung zu bewohnen und was zu tun ist, um diese auch dauerhaft behalten zu können. "Viele Klienten lassen ihre Post weiterhin an die Adresse des Caritashauses schicken, aus Angst, wichtige Unterlagen zu übersehen oder Fristen zu verpassen", so Schneider. Bernd Schneider hält Kontakt zu den Menschen, ruft regelmäßig an, erkundigt sich ob alles in Ordnung ist. Dabei arbeitet er eng mit dem Kommunalen Jobcenter Lahn-Dill, dem Wohnhilfebüro und dem Ordnungsamt der Stadt Wetzlar zusammen.
Es gibt auch traurige Fälle, Menschen die es nicht schaffen. Vor Jahren wurde ein chronisch suchtkranker Klient tot in seiner Wohnung gefunden. Oder Menschen, die plötzlich einfach verschwinden, weil sie das Leben in den eigenen vier Wänden doch nicht aushalten. Zum Glück gibt es aber auch die Lebensgeschichten, die sich zum positiven wandeln. Sieghard Mackel ist ein Fall besonders in Erinnerung geblieben: "Einer unser Klienten wohnt nun bereits seit acht Jahren in seiner eigenen Wohnung, hat einen sicheren Arbeitsplatz gefunden und besitzt sein eigenes Auto. Es gab Zeiten, da hätten wir alle nicht gedacht, dass dieser Mann überlebt. Solche Lebenswege machen uns glücklich und zeigen, dass unsere Arbeit wirkt". Für viele, die es den Weg in die eigene Wohnung geschafft haben, bleibt das Caritashaus auch Jahre später eine Ersatzfamilie.